Oliver Henschen: Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Fangen wir erstmal damit an: Wer bist du, was zeichnet CLAAS als Unternehmen aus und genau was ist deine Rolle dort?
Mein Name ist Kai Wiening, ich arbeite bei CLAAS als Startup Relationship Manager. CLAAS ist ein führender Hersteller von Landmaschinen mit Sitz in Harsewinkel. Wir sind bekannt für unsere Traktoren, Mähdrescher, Feldhäcksler und weitere Landmaschinen sowie digitale Lösungen. Mit rund 12.000 Mitarbeitern weltweit fokussieren wir uns darauf, die Landwirtschaft durch innovative, vernetzte und zunehmend intelligente Maschinen effizienter zu machen.
Die Aufgabe unseres Teams ist es, die Zusammenarbeit zwischen CLAAS und Startups gezielt zu fördern. Dafür nutzen wir verschiedene Innovationsmethoden, wobei unser aktueller Schwerpunkt auf dem sogenannten Venture Clienting liegt. Dies ist ein strukturierter Ansatz, um effizient und gezielt mit Startups zusammenzuarbeiten. Dabei gehen wir über klassische strategische Partnerschaften hinaus, indem wir Startups als Lieferanten neuer Technologien und Lösungen direkt in unsere Produkte und Prozesse integrieren. So schaffen wir einen schnellen und praxisnahen Zugang zu Innovationen.
Dafür nutzen wir verschiedene Innovationsmethoden, wobei unser aktueller Schwerpunkt auf dem Venture Clienting liegt. Dies ist ein strukturerter Ansatz, um effizient und gezielt mit Startups zusammenzuarbeiten.
Das klingt spannend! Kannst du uns erklären, wie genau ihr mit Startups zusammenarbeitet und was Venture Clienting in der Praxis bedeutet?
In der Vergangenheit lief die Zusammenarbeit mit Startups – wie bei vielen Unternehmen – häufig über einen sogenannten „Push-Ansatz“. Das bedeutete, dass wir beispielsweise auf Messen oder in Acceleratoren vielversprechende Startups entdeckten und diese an unsere internen Fachabteilungen weiterleiteten – in der Hoffnung, dass dort Interesse besteht. Doch dieser Ansatz hatte einige Herausforderungen: Die Kollegen hatten oft wenig Zeit oder fühlten sich nicht ausreichend involviert, da die Initiative nicht aus ihrem eigenen Bedarf heraus entstand. Dadurch war es schwierig, Commitment und Ressourcen für solche Projekte zu mobilisieren. Zudem bestand das Risiko, dass wir eine Lösung für ein Problem fanden, das in unserem Unternehmen gar nicht existierte.
Mit dem Venture-Clienting-Ansatz drehen wir den Prozess um und setzen auf einen „Pull-Ansatz“. Das bedeutet, dass wir bei den konkreten Herausforderungen unserer Fachabteilungen ansetzen. Gemeinsam mit Kolleg:innen aus Bereichen wie Entwicklung, Vertrieb, Logistik, Einkauf oder HR identifizieren wir operative Problemstellungen, für die es noch keine internen oder etablierte externen Lösungen gibt. Diese Herausforderungen analysieren wir gründlich und definieren klare Kriterien, nach denen wir gezielt nach passenden Startup-Lösungen suchen. So stellen wir sicher, dass Innovationen einen echten Mehrwert für unser Unternehmen schaffen.
Mit dem Venture Clienting-Ansatz drehen wir den Prozess um und setzen auf einen „Pull-Ansatz“. Das bedeutet, dass wir bei den konkreten Herausforderungen unserer Fachabteilungen ansetzen.
Und wie findet ihr dann die passenden Startups?
Wir setzen auf verschiedene Kanäle, um vielversprechende Startups zu identifizieren. Einerseits kooperieren wir mit spezialisierten Dienstleistern, die uns beim Scouting unterstützen, und analysieren gezielt Startup-Datenbanken, um die besten Lösungen für unsere spezifischen Herausforderungen zu finden. Andererseits nutzen wir unser starkes Netzwerk aus Partnerunternehmen, Startup-Ökosystemen, der Venture-Capital-Branche sowie Partnern wie dem Digital Hub münsterLAND.
Sobald wir eine Shortlist mit potenziellen Startups zusammengestellt haben, präsentieren wir diese den jeweiligen Fachabteilungen. Die Experten aus diesen Bereichen entscheiden dann, welches Startup am besten zu ihren Anforderungen passt. Anschließend laden wir mehrere Startups zu einem Pitch ein, bei dem sie ihre Lösungen vorstellen. Besonders wichtig ist uns dabei eine überzeugende Produktdemo, da sie uns hilft, das Potenzial der Lösung in Bezug auf unsere spezifischen Anforderungen realistisch einzuschätzen.
Wir setzen auf verschiedene Kanäle, um vielversprechende Startups zu identifizieren.
Das heißt, nach dem Pitch startet ihr dann ein gemeinsames Projekt mit dem ausgewählten Startup?
Genau! Der nächste Schritt ist ein Proof of Concept (PoC). Gemeinsam mit dem Fachbereich erarbeiten wir, wie ein Pilotprojekt aussehen kann. Unser Ziel ist es, die Lösung innerhalb von etwa drei Monaten zu testen – möglichst schnell und pragmatisch, ohne direkt tief in unsere IT-Infrastruktur oder Prozesse eingreifen zu müssen.
Ein konkretes Beispiel: Aktuell arbeiten wir mit einem Startup zusammen, das sich auf Unfallprävention in der Produktion spezialisiert hat. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Unfällen mit Gabelstaplern. Das Startup hat eine Lösung entwickelt, die mithilfe von Computer Vision potenzielle Gefahrensituationen erkennt und Gabelstapler automatisch abbremst, bevor es zu einem Unfall kommt. Wir testen diese Technologie derzeit in einer Produktionshalle, in der es in der Vergangenheit häufiger zu solchen Vorfällen kam. Falls der Test erfolgreich verläuft, können wir die Lösung auf weitere Standorte ausweiten und so die Arbeitssicherheit insgesamt verbessern.
Das klingt nach einem sehr strukturierten Prozess. Welche Herausforderungen begegnen euch dabei?
Die größte Herausforderung ist oft die praktische Zusammenarbeit zwischen Startups und großen Unternehmen. Startups sind agil, arbeiten schnell und haben kurze Entscheidungswege. In einem internationalen Konzern wie CLAAS gibt es hingegen bestimmte Prozesse, die eingehalten werden müssen – sei es im Einkauf, in der IT oder im Datenschutz. Das kann für Startups frustrierend sein, da sie oft nicht wissen, welche Anforderungen sie erfüllen müssen, um gelistet zu werden.
Unsere Rolle als Venture-Clienting-Team besteht darin, diese Brücke zu schlagen. Wir begleiten die Startups durch den gesamten Prozess, helfen ihnen, die richtigen Ansprechpartner zu finden, und stellen sicher, dass bürokratische Hürden nicht zum Showstopper werden. Dabei haben wir einige Abkürzungen entwickelt – etwas lokale Betriebsratfreigaben anstelle eines langwierigen zentralen Prozesses oder Stand-alone-Lösungen, die nicht sofort in unsere IT integriert werden müssen. So machen wir den Weg für eine erfolgreiche Zusammenarbeit einfacher und effizienter.
Unsere Rolle als Venture-Clienting-Team besteht darin, diese Brücke zu schlagen. Wir begleiten die Startups durch den gesamten Prozess, helfen ihnen, die richtigen Ansprechpartner zu finden, und sorgen dafür, dass bürokratische Hürden nicht zum Showstopper werden.
Wie sieht es mit der Skalierung solcher Lösungen aus? Bleiben sie auf einzelne Standorte beschränkt oder habt ihr eine globale Strategie?
Bei CLAAS arbeiten wir in einer globalen Matrix-Struktur, weshalb wir neue Lösungen stets aus einer internationalen Perspektive betrachten. Schon in der Problemdefinition analysieren wir, ob die Herausforderung auch an anderen Standorten relevant ist. Da viele unserer Produktionsstandorte weltweit vor ähnlichen Herausforderungen stehen, ist unser Ziel, eine einheitliche und skalierbare Lösung zu entwickeln. Für Startups bietet dies die Chance, ihre Lösungen schneller auf verschiedene Standorte und Länder von CLAAS zu skalieren und so ihr internationales Wachstum zu beschleunigen.
Klingt nach einer sehr praxisnahen und flexiblen Innovationsstrategie. Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen: Welche Trends siehst du in der Agrartechnik?
Einer der größten Trends in der Landwirtschaft ist die Automatisierung und Autonomie. Sensoren, Radartechnologie und künstliche Intelligenz (KI) ermöglichen immer autonomere Maschinen. Auch Predictive Maintenance – die vorausschauende Wartung von Maschinen mithilfe von KI – ist ein wichtiges Thema.
Gerade im Bereich KI arbeiten wir intensiv mit Startups zusammen. Ein Beispiel dafür ist eine kürzlich gestartete Startup Challenge, bei der sich Startups mit KI-Anwendungsfällen für die Landwirtschaft bewerben können. Unser Ziel ist es, durch den Einsatz dieser Technologien die Effizienz der Landmaschinen zu steigern und Landwirte bestmöglich zu unterstützen. Damit wollen wir nicht nur Innovationen vorantreiben, sondern auch konkrete Lösungen entwickeln, die den Arbeitsalltag der Landwirte erleichtern und die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft fördern.
Sehr spannend! Vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns darauf, eure Entwicklungen weiterzuverfolgen und helfen gerne dabei, eure Startup-Challenge in unserem Netzwerk bekannt zu machen
Danke dir! Wir freuen uns über jedes Startup, das sich bei uns bewirbt und gemeinsam mit uns an der Zukunft der Landwirtschaft arbeitet.