Die heutigen Co-Founder von syte, David Nellessen und Matthias Zühlke, wuchsen Tür an Tür in Münster-Kinderhaus auf. Doch zunächst trennten sich die Wege, denn David konnte es kaum erwarten, das ihm zu provinziell anmutende Münster zu verlassen. Nach der Schule zog es ihn nach Freiburg, wo er Mathematik studierte und parallel dazu erste Schritte in die Selbstständigkeit wagte. Gemeinsam mit einem Mitgründer baute er eine kleine Webagentur auf. Die Tätigkeit war zunächst ein Nebenverdienst, doch nach dem Studienabschluss versuchte er, das Unternehmen in Vollzeit auszubauen. Es waren verrückte Zeiten, in denen Web-Entwicklung noch ziemlich kompliziert war. Dennoch hinterließ die Zeit bei David zwei prägende Lerneffekte: Erstens, es ist keine gute Idee, ein Unternehmen ausschließlich mit Techies aufzubauen. Und zweitens sollte man immer in einem Team gründen, das gut harmoniert.
Gründen ist wie verheiratet zu sein, nur ohne Gütertrennung und mit dem Unterschied, dass man noch mehr Zeit miteinander verbringt. Das heißt, es ist einfach sehr entscheidend, dass man sich gut versteht.“
David Nellessen, Gründer von Syte
Während seines Studiums in Freiburg entdeckte David die dort entstehende Startup-Szene für sich. Der Gründergeist packte ihn dann endgültig, als er 2012 Mitbewohner einer Startup-WG in Barcelona wurde, die der erfahrene Gründer Andreas Dittes organisiert hatte. Die WG brachte sechs junge Gründer zusammen, von denen drei bereits beeindruckende unternehmerische Erfolge vorweisen konnten – darunter ein Gründer, der einen Exit erzielt hatte, und ein anderer, der das Groupon-Geschäft in China für Oliver Samwer aufgebaut hatte. David war einer der unerfahreneren Gründer in der Runde, profitierte jedoch enorm von diesem Umfeld. Die intensiven Gespräche, die gemeinsamen Diskussionen und der Austausch über Erfolg und Scheitern ließen ihn „Blut lecken“. Fun fact: In Barcelona traf er im Rahmen eines Startup-Weekend erneut auf seinen Sandkastenfreund Matthias, der derweil in der Heimat seine Karriere als Architekt vorantrieb.
Höhen, Tiefen und ein erfolgreicher Exit an Daimler
Nach seiner Rückkehr aus Barcelona war für ihn klar: Sein nächstes Vorhaben sollte ein echtes Startup mit einem skalierbaren Geschäftsmodell sein. Über vier Monate reiste er durch Europa, um potenzielle Co-Founder zu treffen und mit ihnen Probe zu arbeiten. Dies führte schließlich in die Gründung von Familonet mit Hauke Windmüller und Michael Asshauer in Hamburg. Die App zielte darauf ab, Familien durch standortbasierte Dienste besser zu vernetzen. In einer Zeit, als GPS-Technologie erstmals flächendeckend in Smartphones integriert wurde und Plattformen wie Apple oder Google noch keine Lösungen für Standort-Sharing boten, stieß Familonet auf großes Interesse. Die Anfänge waren dennoch finanziell wie organisatorisch eine Herausforderung. Mit einer initialen Investition von 50.000 Euro richteten die Gründer ihr erstes Büro im Vorort Krupunder an der Endstation der Hamburger S-Bahn-Linie S2 ein, um Kosten zu sparen. Der Alltag war von maximaler Sparsamkeit geprägt.
Der ‚Gut und Günstig Feuertopf‘ war die günstigste Möglichkeit uns zu ernähren und wurde unser tägliches Mittagessen. In einer schwierigen Phase wohnte ich zwei Monate im Büro auf einer notdürftig gepumpten Isomatte und nutzte das Fitnessstudio zum Duschen, wo ich mir das Abo noch leisten konnte.
David Nellessen, Gründer von Syte
Trotz dieser Entbehrungen wuchs die App auf bis zu drei Millionen registrierte Nutzende. Doch die Monetarisierung gestaltete sich schwierig, da die Zahlungsbereitschaft für mobile Apps begrenzt war. 2016 geriet das Unternehmen in eine existenzielle Krise, als ein geplanter Exit-Deal kurzfristig platzte. Die Insolvenz war nur noch wenige Wochen entfernt. Durch einen mutigen Rettungsplan und intensive Arbeitsphasen konnte das Unternehmen die Wende schaffen. Neben einer stärkeren Monetarisierung der App baute das Team einen B2B-Bereich auf, der die entwickelte Ortungstechnologie und Beratungsleistungen für Geschäftskunden anbot. Ein Jahr später übernahm die moovel Group das Unternehmen, ein Tochterunternehmen des Autobauers Daimler. Ziel des Automobilkonzerns war es, die Standort- und Mobilitätstechnologie sowie das Fachwissen des Teams in die Entwicklung seiner Mobility-Apps zu integrieren. Die ursprüngliche Familien-App wurde später an einen amerikanischen Anbieter weiterverkauft und ist heute noch in mehreren Ländern aktiv.
Zurück nach Münster: Der Weg zur Gründung von syte
Nach einer Weltreise kehrte David 2019 nach Münster zurück. Die Entscheidung, sich wieder in seiner Heimatstadt niederzulassen, fiel unabhängig von konkreten beruflichen Plänen, doch der Schritt erwies sich als bedeutend. Bereits während seiner Reise hatte er in Sri Lanka seinen Freund Matthias aus Kinderhaus wiedergetroffen. Zurück in Münster intensivierten die beiden ihren Austausch. Matthias, inzwischen Geschäftsführer beim Architekturbüro Maas & Partner, brachte eine Idee mit, die aus den Herausforderungen seiner Branche entstand. Die Automatisierung der Erstellung von Potenzialanalysen für Bauprojekte mithilfe von Daten und künstlicher Intelligenz. Um die Zusammenarbeit zu testen, arbeiteten David und Matthias über mehrere Wochen intensiv an der Idee. Wie David es bereits bei Familonet praktiziert hatte, führten sie also gemeinsames Testarbeiten durch. Dabei legten sie großen Wert darauf, sicherzustellen, dass ihre Fähigkeiten und Arbeitsstile harmonierten.
Ähnlich wie bei einer Probezeit im Arbeitsverhältnis sollte man sich nach mehreren Wochen ehrlich fragen, ob man den gemeinsamen Weg weitergehen und schließlich die GmbH-Gründung zusammen angehen möchte, denn ab diesem Moment gibt es kein Zurück mehr.
David Nellessen, Gründer von Syte
Auch dieses Testarbeiten verlief erfolgreich und führte zur Gründung des Unternehmens syte, das sich inzwischen zu einem Startup-Flagschiff in Münster entwickelt hat. Im Jahr 2021 durchlief syte den Digital Hub Accelerator und das damals noch recht kleine Team arbeitete mehrere Monate im Coworking Space des Digital Hub münsterLAND, bevor sie ein eigenes Büro an der Bremer Straße bezogen. Der bisherige Höhepunkt in der Entwicklung des Startups war der Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 5 Millionen Euro im Jahr 2024 – die höchste Finanzierungsrunde für ein Münsteraner Startup seit Jahren. Am Standort Münster schätzt David besonders die lebendige Startup-Community und die enge Vernetzung innerhalb der Szene. Gleichzeitig sieht er Herausforderungen, insbesondere in der Gewinnung von Fachkräften mit langjähriger Startup- und Skalierungserfahrung sowie der Sichtbarkeit Münsters im nationalen Vergleich.
Umso wichtiger ist es daher, dass David sich neben seiner Tätigkeit bei syte aktiv in der Startup-Community engagiert und regelmäßig seine Erfahrungen an aufstrebende Gründer im Netzwerk des Digital Hub weitergibt. Mit seinem Co-Gründer Matthias zeigt er aktuell, dass eine langjährige Freundschaft und eine klare Vision zu unternehmerischem Erfolg führen können. Mit frischen Ideen und einem wachsenden Team sind die beiden Sandkastenfreunde aus Kinderhaus bereit, das nächste Kapitel ihrer unternehmerischen Reise zu schreiben. Dieses Mal nicht am Stadtrand im Krupunder, sondern mitten in Münster. Wir sind gespannt und bleiben eng dabei.