Hi Volker, schön, dass du da bist. Erzähl uns von dir.
Mein Name ist Volker Meise, ich bin jetzt schon seit Anfang der 90er in Münster und seit Mitte letzten Jahres bei der Eucon Digital GmbH. Dieser Teil von Eucon kümmert sich darum, den Schadenprozess bei Versicherern zu optimieren, sprich: Die Prozesse von der Schadenmeldung bis zur Auszahlung oder Reparatur des Schadens noch digitaler, schneller und effizienter zu machen. Meine Aufgabe ist das Portfoliomanagement. Dazu gehören die Produktneuentwicklung und das Produktmanagement.
Was macht man als “Director Portfoliomanagement und New Products” denn im Arbeitsalltag?
Grundsätzlich versuche ich, zwei Bereiche zu balancieren: Zum einen gilt es, die aktuellen Prozesse unserer bestehenden Kundenstrecken permanent zu optimieren, anzupassen und auch neu zu implementieren. Meine Kolleg*innen kümmern sich dabei darum, neue Wünsche von Kunden umzusetzen und die bestehenden Systeme immer besser zu machen.
Der andere Teil ist die Weiterentwicklung unserer Produkt- und Lösungslandschaft. Hier greifen wir als Team neue Anforderungen aus dem Markt oder von neuen Technologien auf und überlegen, wie wir durch neue Features oder ganz neue Produkte uns weiterentwickeln können. Da geht es dann beispielsweise um den Einsatz von KI oder die Digitalisierung vormals manueller Prozesse.
Hier im Hub bekommt man Inspiration, weil neue Ideen aufkommen, die teilweise zunächst gar nicht auf den eigenen Bereich zielen, aber wo man denkt: "Hey, so etwas Ähnliches könnten wir auch gebrauchen".
Mal ganz plakativ gefragt: Wie haltet ihr euch “up-to-date" was neue Technologien angeht und inwiefern helfen vielleicht auch die Startups aus der Hub-Community dabei?
Wir sind natürlich permanent dabei zu schauen: Was gibt’s neues? Jeder bei Eucon hat seinen Bereich, wo er reinguckt. Man bekommt einiges mit, weil wir uns insgesamt für Tech-Themen interessieren und dann untereinander austauschen. Auch hier im Hub bekommt man Inspiration, weil neue Ideen aufkommen, die teilweise zunächst gar nicht auf den eigenen Bereich zielen, aber wo man denkt: "Hey, so etwas Ähnliches könnten wir auch gebrauchen". Oder man verändert die Anwendung ein wenig. Und natürlich bekommt man hier super Kontakte, um mit den Gründerinnen und Gründern zu sprechen und zu sagen: Lass uns mal schauen, ob ihr nicht irgendwas für uns machen könnt. Und das ist immer spannend.
Digitale Transformation ist ja mittlerweile ein sehr breit gefächerter Begriff, aber was bedeutet das für dich?
Ich bin ja schon ein bisschen länger digital unterwegs, insofern ist das natürlich ein Buzzword, was alles und nichts heißt. Grundsätzlich – wenn man Transformation ernst nimmt – ist es ja die komplette Umgestaltung unserer Lebenswirklichkeit ins Digitale. Viele Dinge, die kompliziert gemacht wurden, weil es analog nicht anders ging, lassen sich jetzt digital ganz anders abbilden. Digitalisierung bedeutet also nicht, früher ein Formular auf Papier ausgefüllt zu haben und jetzt das Gleiche am Handy zu tun – sondern zum Beispiel mit den digitalen Möglichkeiten Prozesse radikal zu vereinfachen und somit effizienter und kundenfreundlicher zu machen.
Gibt es etwas, was dich in der Digitalwelt als Digitalexperte so richtig nervt?
Ja natürlich. Da gibt es so einige Sachen – auch wenn man mit dem Alter ein bisschen gelassener wird. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es nur noch Hype oder Verdammung gibt: Entweder, ein Trend ist das Mega-Thema und rettet die Welt oder es ist ihr Untergang. Diese oberflächliche Betrachtung lenkt davon ab, dass darunter liegende strukturelle Veränderungen enorme langfristige Auswirkungen haben können, wenn die Aufmerksamkeit sich schon wieder dem nächsten Thema widmet.
Man sollte ein bisschen mehr das Gute sehen: Eher fragen „was kann man damit machen?“ als „was könnte alles passieren?“.
Was mich allerdings am meisten nervt ist, dass in Deutschland – insbesondere in der Politik – immer erst die Risiken und dann erst die Chancen gesehen werden. Das ist international häufig ganz anders. Man sollte sicherlich nicht blindlings alles mal fröhlich ausprobieren, aber vielleicht auch ein bisschen risikofreudiger sein und ein bisschen mehr das Gute sehen: Eher fragen „was kann man damit machen?“ als „was könnte alles passieren?“.
Sich ein bisschen mehr das Entrepreneurship-Dasein zu Herzen nehmen und machen: “Done is better than perfect”?
Ja genau so ist das. Viele Dinge, die man als Risiko sieht, kann man auch als Chance sehen. Das unterscheidet uns von Amerikanern oder von anderen Europäern. Dadurch, dass mein vorheriger Arbeitgeber Linkfluence seinen Sitz in Frankreich hatte, war ich auch häufiger dort und habe das Mindset dort als ein ganz anderes erlebt. Das ist manchmal sehr befreiend. Vielleicht ist es auch ein bisschen ein Generationen-Problem. Wenn ich im Hub bin, spüre ich das Thema nicht. Wenn man da mit den Gründer:innen spricht, ist es wirklich so, dass die eben genau so an die Themen rangehen: Was kann man damit machen? Was kann man für coole Ideen damit entwickeln?
Erzähl uns mehr über deine Rolle als Mentor bei uns im Hub. Was motiviert dich daran, jungen Gründer:innen zur Seite zu stehen und wie ist es damals dazu gekommen?
Ich hatte lange Zeit mein berufliches Netzwerk in Düsseldorf und wollte mich wieder mehr auf meinen Wohnort Münster fokussieren. In Münster sind dann Kontakte aus dem Startup-Bereich auf mich zugekommen und ich wurde gefragt: „Willst du nicht auch hier in den Mentorenkreis kommen? Leute mit deiner Digital-Denke können wir immer gebrauchen, hast du nicht Lust darauf?“ Darauf hatte ich Lust, und so bin ich hier eingestiegen. Dann erweitert sich das Netzwerk irgendwie von selbst. So sind ehemalige Kollegen, die ich teilweise seit Ewigkeiten nicht mehr gesprochen habe, auch mit Startups unterwegs und man trifft sich dann hier wieder in der Szene.
Mich freut es, wenn ich ein bisschen von dem Wissen, was sich so über die Jahre angesammelt hat, weitergeben kann.
Es macht eine Riesenfreude, weil immer neue Sachen hochkommen. Das ist auch mein persönlicher Antrieb: Es macht mir einfach Spaß, ich kriege ja nichts dafür. Mich freut es, wenn ich ein bisschen von dem Wissen, was sich so über die Jahre angesammelt hat, weitergeben kann. Wenn andere dann etwas davon nutzen und Dinge ein bisschen besser laufen. Wenn ich es schaffe, dass die Startups ein bisschen schneller vorankommen oder Fehler vermeiden. Und wenn ich ihnen vielleicht auch ein bisschen Sicherheit oder Tipps geben kann, was sie besser machen oder sein lassen könnten - das ist mein Antrieb.
Unsere Accelerator Startups haben alle ein digitales Geschäftsmodell - theoretisch kannst du also zu jedem etwas sagen. Aber was sind die Themen oder Nischen, für die du wirklich brennst?
Insgesamt bin ich immer daran interessiert, die Strategien hinter den Themen zu sehen und aus meiner Erfahrung heraus zu sagen: Wie kann man bestimmte Dinge angehen, was sollte man lassen? Was sind die Gesetzmäßigkeiten dahinter? Was funktioniert aus meiner Erfahrung bei großen Unternehmen, was nicht? Gründer, die hier sind, kommen ja in der Regel von der Uni oder haben erst ein paar Jahre Erfahrung. Da fehlt natürlich die Routine im Umgang mit großen Firmen. Wie denken diese, wie ticken die? Was sind die Entscheidungsprozesse dort? Da kann ich helfen, weil ich das schon selbst mitgemacht habe oder jetzt genau auf der anderen Seite sitze. Dadurch, dass ich vom Marketing über Sales bis zu Produkten alles Mögliche erlebt habe, kann ich zu vielen Dingen Hinweise geben.
Das erste Startup, das ich mehr unter meine Fittiche genommen habe, war Frachtpilot. Wir haben am Anfang tatsächlich über Sales gesprochen. Wie schaffen wir es, noch mehr Kunden heranzukriegen? Da ist es dann eben auch sehr cool, wenn man sieht, dass man Tipps gibt und eine Woche später das Feedback bekommt: Ja, haben wir ausprobiert und hat super geklappt! Das ist natürlich genial. Das ist nicht jedes Mal so, aber wenn es funktioniert, ist es natürlich klasse – für beide Seiten.
Genau dieses Wissen und deine Bereitschaft den Startups zu helfen, hat dich ja auch zu einem festen Bestandteil der Community als Mentor gemacht. Gibt es ein Startup, das dich bis heute fasziniert?
Frachtpilot mit ihrer cleveren Software für die landwirtschaftliche Direktvermarktung muss ich sicher nennen. Hier hat mich von Anfang an das tiefe „Eingraben“ in die Bedürfnisse der Landwirte und das Lösen dieser Probleme mit Software fasziniert. Hier steht immer der Kunden am Anfang und am Ende der Kette – so muss das sein.
Es gibt ganz unterschiedliche Themen. Ich habe kurz mal mit Siwalu diskutiert, die hatten ja diesen Dog und Cat Scanner. Und als ich mir das zum ersten Mal anhörte, dachte ich mir: „Was zum Henker wollen die mit so einer App?* Ist ja schön, dass man seinen Hund da erkennen kann und dann weiß man, was der für eine Rasse hat – das wusste man aber schon vorher. Und was mache ich jetzt damit, das ist so ein ‚One Trick Pony‘. Als ich dann aber gehört habe, dass die schon 1 Million Downloads haben – damals schon – dachte ich: „Oh, Moment! Anscheinend ist da mehr dahinter.“ Damals haben wir diskutiert, in welche Richtung sie gehen, eher in Richtung Community oder eher in andere Tiere und Pflanzenarten. Ich glaube sie haben das Letztere gemacht und ich wäre eher auf das Erste gegangen, von meinem Naturell her. Das fand ich so faszinierend, dass man mit der Idee doch so viel aufbauen kann und die haben mittlerweile mit Snap eine Kooperation, das ist schon extrem cool.
Das zweite Startup, das ich unbedingt erwähnen möchte ist Sales2B, oder jetzt Syntinels. Das Team kümmert sich darum, wie man es schafft, bei der Kaltakquise besser zu “targeten” und besser auszuwählen, welche Firmen man anruft. Da dachte ich: „Ja, das ist der heilige Gral, das wollen alle! Bisher hat es noch keiner geschafft, wie soll das funktionieren?“. Florian, Malte und das Team haben dann eine Ansatz entwickelt, sehr fokussiert und Schritt für Schritt und haben das auch sehr schlau aufgebaut. Zu Anfang mit mehr manuellem Aufwand, nachher dann immer automatisierter. Ich konnte ein paar Türen öffnen. Es macht super Spaß zu sehen, dass etwas, das man selbst für gar nicht so für möglich gehalten hätte, dann doch umgesetzt wird - das ist stark.
Die richtigen Fuck-Ups sind aus meiner Sicht die Dinge, die man nicht gemacht hat. Wo man Chancen gesehen und sie nicht ergriffen hat.
Gibt es was in deiner eigenen Laufbahn und Karriere, wo du sagst: Das würde ich als “Fuck-Up” bewerten?
Etwas, was ich total in die Grütze gesetzt habe, fällt mir nicht ein (vielleicht habe ich das auch verdrängt). Es gibt bestimmt tausend Kleinigkeiten, die nicht funktioniert haben, klar, das ist immer so.
Was ich als Hinweis für Gründer aus meiner Perspektive sagen möchte: Die richtigen Fuck-Ups sind nicht die, bei denen etwas schiefgelaufen ist. Denn daraus kann man lernen, das nächste Mal hat man sozusagen einen Wissensvorsprung. Wenn man gerade drinsteckt, ist es natürlich total doof, wenn man dann da wieder rauskommt, ist man dafür umso stärker.
Die richtigen Fuck-Ups sind aus meiner Sicht die Dinge, die man nicht gemacht hat. Wo man Chancen gesehen und sie nicht ergriffen hat. Wo man Sachen umsetzen wollte und es dann doch sein gelassen hat. Das, was man nicht getan hat, bereut man am Ende viel mehr, als Dinge, die man versucht hat, aber schiefgegangen sind. Insofern mag ich an Gründern auch so sehr, dass sie Dinge ausprobieren, dass sie auf Risiko und mit persönlichem Einsatz reingehen. Viele könnten auch einen “normalen” Job haben, gutes Geld verdienen und ein schönes Leben haben. Sie gehen aber in den Hub, arbeiten lange Tage, haben Spaß dran und wollen etwas aufbauen - und das ist genau das Richtige. Weiter so!